24 ottobre 2016

"Rainer Maria Rilke's 'Duino Elegies', The First Elegy, in the new English translation by Alfred Corn"

Angel of Grief i(1894) by William Wetmore Story


Rainer Maria Rilke


Duineser Elegien                                             Duino Elegies




Die erste Elegie

Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel
Ordnungen? und gesetzt selbst, es nähme
einer mich plötzlich ans Herz: ich verginge von seinem
stärkeren Dasein. Denn das Schöne ist nichts
als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen,
und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht,
uns zu zerstören. Ein jeder Engel ist schrecklich.
Und so verhalt ich mich denn und verschlucke den Lockruf
dunkelen Schluchzens. Ach, wen vermögen
wir denn zu brauchen? Engel nicht, Menschen nicht,
und die findigen Tiere merken es schon,
daß wir nicht sehr verläßlich zu Haus sind
in der gedeuteten Welt. Es bleibt uns vielleicht
irgend ein Baum an dem Abhang, daß wir ihn täglich
wiedersähen; es bleibt uns die Straße von gestern
und das verzogene Treusein einer Gewohnheit,
der es bei uns gefiel, und so blieb sie und ging nicht.
O und die Nacht, die Nacht, wenn der Wind voller Weltraum
uns am Angesicht zehrt –, wem bliebe sie nicht, die ersehnte,
sanft enttäuschende, welche dem einzelnen Herzen
mühsam bevorsteht. Ist sie den Liebenden leichter?
Ach, sie verdecken sich nur mit einander ihr Los.
Weißt du's noch nicht? Wirf aus den Armen die Leere
zu den Räumen hinzu, die wir atmen; vielleicht daß die Vögel
die erweiterte Luft fühlen mit innigerm Flug.

Ja, die Frühlinge brauchten dich wohl. Es muteten manche
Sterne dir zu, daß du sie spürtest. Es hob
sich eine Woge heran im Vergangenen, oder
da du vorüberkamst am geöffneten Fenster,
gab eine Geige sich hin. Das alles war Auftrag.
Aber bewältigtest du's? Warst du nicht immer
noch von Erwartung zerstreut, als kündigte alles
eine Geliebte dir an? (Wo willst du sie bergen,
da doch die großen fremden Gedanken bei dir
aus und ein gehn und öfters bleiben bei Nacht.)
Sehnt es dich aber, so singe die Liebenden; lange
noch nicht unsterblich genug ist ihr berühmtes Gefühl.
Jene, du neidest sie fast, Verlassenen, die du
so viel liebender fandst als die Gestillten. Beginn
immer von neuem die nie zu erreichende Preisung;
denk: es erhält sich der Held, selbst der Untergang war ihm
nur ein Vorwand, zu sein: seine letzte Geburt.
Aber die Liebenden nimmt die erschöpfte Natur
in sich zurück, als wären nicht zweimal die Kräfte,
dieses zu leisten. Hast du der Gaspara Stampa
denn genügend gedacht, daß irgend ein Mädchen,
dem der Geliebte entging, am gesteigerten Beispiel
dieser Liebenden fühlt: daß ich würde wie sie?
Sollen nicht endlich uns diese ältesten Schmerzen
fruchtbarer werden? Ist es nicht Zeit, daß wir liebend
uns vom Geliebten befrein und es bebend bestehn:
wie der Pfeil die Sehne besteht, um gesammelt im Absprung
mehr zu sein als er selbst. Denn Bleiben ist nirgends.

Stimmen, Stimmen. Höre, mein Herz, wie sonst nur
Heilige hörten: daß die der riesige Ruf
aufhob vom Boden; sie aber knieten,
Unmögliche, weiter und achtetens nicht:
So waren sie hörend. Nicht, daß du Gottes ertrügest
die Stimme, bei weitem. Aber das Wehende höre,
die ununterbrochene Nachricht, die aus Stille sich bildet.
Es rauscht jetzt von jenen jungen Toten zu dir.
Wo immer du eintratest, redete nicht in Kirchen
zu Rom und Neapel ruhig ihr Schicksal dich an?
Oder es trug eine Inschrift sich erhaben dir auf,
wie neulich die Tafel in Santa Maria Formosa.
Was sie mir wollen? leise soll ich des Unrechts
Anschein abtun, der ihrer Geister
reine Bewegung manchmal ein wenig behindert.

Freilich ist es seltsam, die Erde nicht mehr zu bewohnen,
kaum erlernte Gebräuche nicht mehr zu üben,
Rosen, und andern eigens versprechenden Dingen
nicht die Bedeutung menschlicher Zukunft zu geben;
das, was man war in unendlich ängstlichen Händen,
nicht mehr zu sein, und selbst den eigenen Namen
wegzulassen wie ein zerbrochenes Spielzeug.
Seltsam, die Wünsche nicht weiterzuwünschen. Seltsam,
alles, was sich bezog, so lose im Raume
flattern zu sehen. Und das Totsein ist mühsam
und voller Nachholn, daß man allmählich ein wenig
Ewigkeit spürt. – Aber Lebendige machen
alle den Fehler, daß sie zu stark unterscheiden.
Engel (sagt man) wüßten oft nicht, ob sie unter
Lebenden gehn oder Toten. Die ewige Strömung
reißt durch beide Bereiche alle Alter
immer mit sich und übertönt sie in beiden.

Schließlich brauchen sie uns nicht mehr, die Früheentrückten,
man entwöhnt sich des Irdischen sanft, wie man den Brüsten
milde der Mutter entwächst. Aber wir, die so große
Geheimnisse brauchen, denen aus Trauer so oft
seliger Fortschritt entspringt –: könnten wir sein ohne sie?
Ist die Sage umsonst, daß einst in der Klage um Linos
wagende erste Musik dürre Erstarrung durchdrang;
daß erst im erschrockenen Raum, dem ein beinah göttlicher Jüngling
plötzlich für immer enttrat, die Leere in jene
Schwingung geriet, die uns jetzt hinreißt und tröstet und hilft.



The First Elegy

Who, if I cried out, would ever hear me among the angels
and archangels? And even if one of them did suddenly
crush me against his chest, I would disappear, undone
by the greater strength of his being. For the beautiful is nothing other
than an onset of terror we just barely withstand,
and we’re struck with wonder at how calmly it disdains
to destroy us. Every one of the angels terrifies.
So I stand up straight, swallow, and choke back the bird-summons
that my twilight sobbing became. Oh, but who could be
expected to fill our needs? Not angels, not people,
and the alerter animals have already noticed
that we are not dependably at home
in the world as it’s been construed. Perhaps there remains for us
a tree somewhere on a hillside, one we daily see;
streets from bygone eras remain,
and the inapt fealty of a habit that so liked
living with us, it remained and never left.
Oh, and Night, Night, when a wind filled with the cosmos
browses one’s face—, for whom would it not remain, longed-for,
mildly disappointing, an arduous prospect
for the heart in solitude. Does it rest more lightly on lovers?
Alas, they only use each other as a screen to conceal their fate.
Do you still not understand? Let your arms fling absences
outward to the space we breathe in; it may well be that birds
will meet the ampler air with a flight even more heartfelt.







Yes, those early springs did need you. How many stars
have urged you to become aware of them. A wave
from long ago rose up towards you, or,
as you approached an opened window,
a violin gave itself up to you. All this was your mission.
But were you equal to it? Weren’t you constantly
distracted by anticipation, as though everything
foretold a new beloved? (What refuge can you
offer her, while all those vast, alien thoughts stray
in and out, at times staying overnight.) Still,
if yearning should come, then sing of lovers; their renowned
passion is not even close to being immortal enough.
The forsaken—you almost envy them—proved to be
much more loving than the requited. Reach again and again
toward the never fully attained goal of proclaiming their worth.
Reflect: the hero always continues on, even his dying
proved to be only a brief illusion: a last rebirth.
But lovers are reabsorbed by depleted Nature as though
her energies could never manage to form them
a second time. Have you done all you could to commemorate
Gaspara Stampa, so that any young woman abandoned
by her lover, when contemplating the high example
of this passionate person, will feel: let me become what she was?
Shouldn’t these, our oldest torments, at last become
more fruitful? Isn’t it time for us, though still loving,
to free ourselves from the beloved, and, trembling, stand firm:
as an arrow stands firm on the string, and, mustered into the rebound,
becomes more than itself. For standing still is being nowhere.











Voices, voices. Listen, heart, as before now only
the saints have listened: thus the immense summons
lifted them from the ground; but continuing
to kneel, these more than human beings never noticed:
that was their listening. Not that you could withstand
the voice of God, far from. But hear the blowing wind,
as its uninterrupted message develops out of silence.
It whispers to you now from those who died young.
Wherever you visited a church, at Rome or Naples,
didn’t their destiny serenely speak to you?
Or an inscription accord you its elevated relief
as one recently did on that tomb in Santa Maria Formosa?
What is it those dead ask of me? That I gently dispel
any implication of their being wronged, which sometimes
hinders, a little, their spirits’ limpid motion.



Granted, it’s strange no longer to live on Earth,
no more to practice customs only recently acquired,
not lending to roses and other things strikingly
auspicious a meaning for our human future;
no more to be held in relentlessly anxious hands,
as you once were, and even your own name—
to let it drop like a broken toy.
Strange not to wish any further wishes. Strange
to see all that was once interlocked fly apart
and scatter through space. And being dead is hard work,
handling a few remaining chores, so that we may at last
taste eternity. But the living all make the same
mistake: they draw too sharp a distinction.
Angels (we’re told) often didn’t know whether they were
walking among the living or the dead. The eternal current
flowing through the two domains forever sweeps along
with it all ages, which its onrush drowns out in both.








Finally, they no longer need us, those spirited away early;
they quietly wean themselves from the habit of earthly things,
much as one outgrows the mother’s tender breast. But we
who need great mysteries, we, whose grieving is so often
the source of imaginative gains—: could we truly live without them?
Is that legend no help, telling how once during the lament for Linos
a daring primal music cut through thickened apathy;
and a youth near to being a god suddenly and forever
stepped away from bewildered space, an absence turning
into that humming that sweeps us on, comforts, and supports.


[ Translated from German by Alfred Corn ]